Die Wahl in Thüringen verbreitet Angst und Schrecken. Woran liegt es, dass die Menschen in Scharen zur AfD und den Linken überlaufen? An den schlimmen Verhältnissen im Land? Bestimmt nicht. Aber wer am Abend im ZDF die sogenannte Berliner Runde mit den Generalsekretären und parlamentarischen Geschäftsführer der Parteien gesehen hat, hatte einen Teil der Antwort gefunden.
Stanzen, Hülsen, Mutlosigkeit!
Der Auftritt von Paul Ziemiak(CDU), Linda Teuteberg (FDP), Lars Klingbeil (SPD) und Michael Kellner (Grüne), Markus Blume (CSU) war gruselig. Kein Feuer, keine Leidenschaft, keine Ideen! Stattdessen Worthülsen, gesprächiges Nichtssagen, vorsichtiges Abtasten und der übliche Dank an die Wähler und Parteifreunde in Endlosschleife.
Klingbeil sprach wie jemand, der gerade 40 Prozent der Wählerstimmen abgeräumt hat. Teuteberg wollte erstmal das Endergebnis abwarten, bevor sie irgendwelche Ideen entwickelt. Blume wirkte deplatziert, denn eine CSU gibt es in Thüringen nicht. Ziemiak war offenbar einfach nur erschöpft, weil die Flut der schlechten Ergebnisse, die seiner Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer und damit auch ihm selber angelastet werden, einfach nicht abreissen will.
Wen soll das begeistern? Politik, die mit geschlossenem Visier um sich selber kreist, wird niemand wählen!
Die Parteien der Mitte brauchen mehr Mut. Mut zur Auseinandersetzung, Mut, auch mal Fehler zu machen, rhetorisch gegen die Wand zu laufen. Das nimmt kein Wähler übel, wenn eine Spur von Begeisterung für die eigenen Politik, für die eigene Botschaft erkennbar wäre.
Es ist eigentlich ganz einfach. Wie im Fußballstadion: Wenn erkennbar ist, dass die eigene Mannschaft rennt, kämpft und beißt, darf sie auch verlieren. Aber niemand will ein Team sehen, dass die ganze Zeit auf Nummer sicher geht – und dann am Ende durch einen Konter mit 0:1 verliert.
Doch gestern Abend wurde geradezu herzzerreissend auf Nummer sicher gespielt. Man erging sich Spekulationen über die große Koalition. Wollte sich nicht festlegen. Schloss aber auch nichts aus. Wühlte im Kleingedruckten.
Was wollen uns diese müden Generäle mitteilen? Haben sie nichts anderes im Gepäck? Gar nichts?
Immerhin stellte Michael Kellner von den Grünen gegen Ende der Sendung fest: „Beliebigkeit wird nicht mehr funktionieren.“ Hoffentlich ist diese Erkenntnis der erste Schritt auf dem Weg zu mehr Wagemut, klarer Ausrichtung, deutlichen Worten. Sonst erleben wir das Ende der Volksparteien noch schneller als befürchtet.
#BerlinerRunde 🙄Das war echt eine Katastrophe gestern. Wir haben in #Thüringen eine historisch herausfordernde Situation und wissen nicht genau wie wir eine Regierung hinkriegen sollen. Von CDU, FDP und Linken kommt aber nur #Nabelschau und Realitätsverweigerung.
— Lisa Badum (@badulrichmartha) October 28, 2019
Können die bitte in der Berliner Runde wieder rauchen? #lwth19 @ZDF
— Philipp Graefe (@PhilippGraefe) October 27, 2019
Die letzte „Berliner Runde“ in diesem Jahr – danke für die Berichterstattung, aber vielleicht sollte die Zeit genutzt werden, um das Format zu hinterfragen. Am 19.10. habe ich im Schweizer Fernsehen – informative Vorsitzenden – Runden zuhören dürfen. Sehr kompetent und angenehm.
— Petra HINZ (@petra_hinz) October 27, 2019