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Texte

1. Auf dem Weg

Du hast du offenbar etwas missverstanden
Ich bin noch auf dem Weg – am Sportplatz vorbei
Dann durch den Gang, neben dem Friedhof
Durch das Einkaufszentrum, bis zur Bäckerei

Über die Brücke fast am Ende der Siedlung
Richtung Stromspannungsmasten, kurz vor dem Feld
Ein leises Zögern, mein Finger zittert
Auf der Klingel dein Name, der Nachbarshund bellt

Ich bin noch auf dem Weg
Wenn du mich brauchst
Setz’ mich in Bewegung und hol’ dich da raus
30 Jahre später, begegnest du mir im Traum
Und ich marschiere los

Die Telefonzelle mit der grauen Wählscheibe
Deine zaghafte Stimme
Ein leises „Vielleicht“
Am Abend gibt es Jazzrock im Jugendcafé
Eine Mark für eine Kanne Tee

Ein guter Platz mit Blick auf den Eingang
Die Band spielt ein Lied mit Elektroklavier
Ich leihe mir Blättchen und Drehtabakkrümel
Jahre später warte ich immer noch hier

Du kennst ja unseren Weg
Wenn du dich traust
Kommst du runter zum Schlosspark und holst mich da raus
30 Jahre später, begegnest du mir im Traum
Und ich marschiere los

Ich bin noch auf dem Weg
Wenn du mich brauchst
Setz’ mich in Bewegung und hol’ dich da raus
Ich hol’ dich da raus

2. Alles verschenkt

Wo bist du eigentlich geblieben?
Hast du mich verlassen,
Nach all diesen Jahren
In all den schmalen Gassen
Den dunklen Winkeln unserer Seelen

Musst du manchmal an mich denken?
In dunklen Stunden
bei hellen Getränken
Wie konnten wir diese Freundschaft
einfach so verschenken?
Wir haben nicht drüber nachgedacht

Kannst du dich noch erinnern
an die große Zeit in unseren kleinen Zimmern?
Und die großen Fragen
Nichts war uns zu heikel, um es uns zu sagen

Ich habe Angst, es nochmal zu probieren
Und dich am Ende nochmal zu verlieren
Wie konnten wir diese Freundschaft
einfach so verschenken?
Wir haben zu viel falsch gemacht

Kannst du dich noch erinnern?
Kannst du dich noch erinnern?

3. Diese Stadt

Montagmorgen und ich frage mich, was der Tag wohl bringt
Stau und Schritte und mittendrin ein weinendes Kind

Menschen hasten aneinander vorbei
Ich tauche ein und fühl mich frei

Manchmal geh’ ich durch die Straßen dieser Stadt
Dieser Stadt. Dieser Stadt.
Dann verlieb’ ich mich auf’s Neue in dieser Stadt.
Dieser Stadt. Dieser Stadt.

Das Mädchen vor mir kann nicht laufen auf ihren hohen Schuhen
Ein Mann rennt quer über die Straße, er ist zu spät, was kann er tun?

Aus dem Kaufhaus klingt Musik, es riecht nach Zimt
Ich tauche ein und bin ein Teil davon

Wenn ich ausgeh’ auf den Straßen dieser Stadt
Dieser Stadt. Dieser Stadt.
Sehe ich das Leben überall in dieser Stadt
Dieser Stadt. In dieser Stadt.

In dieser Stadt, ich leb’ in dieser Stadt

Manchmal geh’ ich durch die Straßen dieser Stadt
Dieser Stadt. Dieser Stadt.
Dann verlieb’ ich mich auf’s Neue in dieser Stadt
Dieser Stadt. Dieser Stadt.

4. Die Elbe bei Dessau

Süd-Südost. Windstärke drei bis vier.
Nur ein ganz leiser Hauch. Wie das Rascheln von Papier.

Sie liegt in ihrem Bett. Fast wie unberührt.
Und fließt durch ihre Träume. Als wäre nichts passiert.

Die Elbe bei Dessau. Schafft’s nicht bis ins Meer.
Wenigstens rauf bis nach Hamburg. Möglichst weit von hier.

Grüner Rasen an den Rändern. Ein Lastkahn voll mit Sand.
Kämpft gegen die Strömung. Durch unbekanntes Land.

Die Elbe bei Dessau. Schafft’s nicht bis ins Meer.
Wenigstens rauf bis nach Hamburg. Möglichst weit von hier.

Sie will nichts von mir wissen. Hat genug erlebt.
Ihren Lauf nicht ändern. Ist nicht mehr auf dem Weg.

Die Elbe bei Dessau. Schafft’s nicht bis ins Meer.
Wenigstens rauf bis nach Hamburg. Möglichst weit von hier.
Die Elbe bei Dessau. Schafft’s nicht bis ins Meer.
Wenigstens rauf bis nach Hamburg. Möglichst weit von hier.

5. Die Jungs sind zurück

Sie waren lange da draußen
Und selten lief alles glatt
Sie haben alles gekostet
Und wurden doch niemals satt

Die Jungs sind zurück
Die Jungs sind zurück in der Stadt

Sie waren ständig betrunken
Und spürten keinen Schmerz
Diese Hamburger Schule
Klang für sie wie ein Scherz

Aber die Jungs sind zurück
Die Jungs sind zurück in der Stadt

Die Band war am Ende
Ein Traum war ausgeträumt
Staub auf den Gitarren
Der Proberaum geräumt

Es war nicht ihre Entscheidung
Es ist einfach so passiert
Sie hatten sich verloren
Es hat nicht funktioniert

Die Jungs sind zurück
Die Jungs sind zurück in der Stadt

Sie sind nicht von gestern
Haben sich lange nicht gesehen
Es brauchte nur Sekunden
Um sich wieder zu verstehen

In einer anderen Straße
In einem anderen Haus
Sie singen wieder zusammen
Als wäre nichts geschehen

Die Jungs sind zurück
Die Jungs sind zurück in der Stadt

6. Am Ende der Welt

Komm’ mit bis ans Ende der Stadt
Wir verlassen die Keller, gehen raus auf die Felder,
Die der Schnee für uns weiß gefärbt hat

Der Klang dieser einsamen Nacht
Wir ziehen uns zurück, lass uns schweigen vor Glück
Und schauen, was der Tag gebracht hat

Wir könnten was sagen
Doch wir bleiben stumm
Kein Weh und kein Klagen
Um uns herum

Der Waldrand liegt lauernd
Hinter dem Feld
Wir könnten hier bleiben
Am Ende der Welt

Kommst du mit bis ans Ende der Stadt
Auf das andere Ufer der Nacht
Kommst du mit bis ans Ende der Stadt
Kommst du mit?

Die Lichter funkeln
Hinter dem Wald
Wir atmen die Schwärze
Aus Schneekristall

Wir könnten verschwinden
Doch ich bleibe hier
Muss den Schmerz überwinden
Nur wegen dir

Kommst du mit bis ans Ende der Stadt
Auf das andere Ufer der Nacht
Kommst du mit bis ans Ende der Stadt
Kommst du mit?

Schwarzes Eis bedeckt einen Fluss
Noch ein flüchtiger Blick und dann gehen wir ein Stück
Auf das andere Ufer der Nacht

7. Der Mann mit dem gelben Hemd

Achten Sie, auf den Mann mit dem gelben Hemd
Er wird verführen, ihre Seele berühren
Trauen Sie ihm

Folgen Sie, dem Mann mit dem gelben Hemd
Gar nicht mehr lange und er setzt sich in Gange
Folgen Sie ihm

Tausend verschlungene Pfade
Zu viele, um den Weg zu sehen
Tausend verschiedene Fragen
Zu viele, um die Antwort zu verstehen

Lieben Sie, den Mann mit dem gelben Hemd
Ich bin mir ganz sicher, er hat hat sie bedient und hat sich’s verdient
Trauen Sie ihm

Achten Sie, auf den Mann mit dem gelben Hemd
Er wird sie verführen, ihre Seele berühren
Trauen Sie ihm

8. Der Winter

Der Winter will noch bleiben
Die kalten Winde stehen
Noch unter kahlen Weiden
Wenn fahle Nebel gehen

Ein Läuten klingt von Ferne
Der Schnee wird langsam grau
Am Himmeln funkeln Sterne
Vor dem Fenster friert der Tau

Am Himmel funkeln Sterne
Vor dem Fenster friert der Tau

Der Schlaf bedeckt die Nächte
Es schweigt ein jedes Haus
Dann strecken dunkle Mächte
Die kühlen Finger aus

Dann strecken dunkle Mächte
Die kühlen Finger aus

Der Winter will noch bleiben
Die kalten Winde stehen
Und was wird aus uns beiden?
Wollen wir nicht weitergehen?

9. Übelmann

Ich bin der Übelmann, aus dunkler Materie
ich fließe als Gift durch deine Arterien
ich langweile dich mit alten Geschichten
mein Brot ist zu hart, der Braten verbrannt
ich werde alles vernichten

Aber wenn es mir gelingt bei Dir zu bleiben,
würde das reichen

Ich bestehe aus Klagen und geplatzten Träumen
lass uns gemeinsam verzagen
ein letztes Hemd auf der Leine
Bin die Wurzel des Übels, der Kern des Bösen
die Tränen der Zwiebel, der Sand im Getriebe, der Vater des Krieges

Aber wenn es mir gelingt bei Dir zu bleiben,
würde das reichen

Ich hab‘ von nichts eine Ahnung,
aber weiß alles besser
bringe nichts als Verachtung, geistige Umnachtung, schleife die Messer
kämpf‘ mich durch ein Gestrüpp von unlesbaren Zeichen
schlage ein wie ein Blitz, bin ein müder Witz und gehe dann über Leichen

Aber wenn es mir gelingt bei dir zu bleiben,
würde das reichen

Es gibt eine Weisheit, doch ich kenne sie nicht
ich schleudere dir Dummheit in dein Gesicht
Ich lese die Bücher von hinten nach vorn
tappe im Dunklen, fische im Trüben
bin ein Huhn ohne Korn

Doch wenn es mir gelingt bei Dir zu bleiben,
würde das reichen

Meine Lampe geht an und du stehst am Schalter
Ich kann wieder sehen, die Worte verstehen und lese weiter
Du hast mal wieder meine Schwerkraft besiegt
Die tödliche Strahlung, meine dunkle Ahnung,
die finsteren Reiter

Und wenn es mir gelingt bei Dir zu bleiben,
leben wir weiter
Und wenn es mir gelingt bei Dir zu bleiben,
mache ich weiter

10. Ich bau dir ein Haus

Ich bau Dir ein Haus, gleich unter den traurigen Weiden
Die Auffahrt aus Kies, der Rasen führt runter zum See
Nachmittags trinken wir Tee

Ich schreib dir ein Buch
Und am Schluss lass ich leere Seiten
Was da stehen muss hast du mir noch gar nicht erzählt
Ich bau dir ein Haus am See

Es ist nicht groß, aber hell und klar und hat ein Dach, ein Flur, eine Bar
Es hat eine Tür, durch die wir gehen und große Fenster
Durch die sehen wir hinaus

Ich schreib dir ein Lied aus noch niemals gesungenen Worten
Und in diesem Lied mit Tönen so weiß wie Schnee
Bau ich dir ein Haus am See

Es ist nicht groß, aber hell und klar und hat ein Dach, ein Flur, eine Bar
Es hat eine Tür, durch die wir gehen und große Fenster
Durch die sehen wir hinaus
Ich bau dir ein Haus

11. Käffchen, Herr Bohmbach?

Der Flur liegt längst im Dunklen
Die Lichter sind gedimmt
Auf dem Schreibtisch liegt ein Brief
Fahrzeugschlüssel abzugeben

Kleine Flaschen stehen herum
Ausgetrunken, unberührt
Aus der Küche klingt es schrill
Spülmaschinendienstvorgänge

Die letzte Fahrt im Aufzug
In den Spiegeln ein Gesicht
Tausend Tage im Büro
Fühlt sich an wie einer

Noch ein Käffchen, Herr Bohmbach
Dann ist alles wieder gut
Noch ein Käffchen Herr Bohmbach
Und sie fassen wieder Mut

Der lange Weg zum Ausgang
Ein Wachmann nickt mir zu
An der Ecke steht der Bus
Der 109er – voll wie früher

Noch ein Käffchen, Herr Bohmbach
Dann ist alles wieder gut
Noch ein Käffchen Herr Bohmbach
Und sie fassen wieder Mut

12. Der Sommer ist vorbei

Der Abend ist vorbei
Wir kümmern uns um die Gläser
Und Ruhe kehrt ein

Die Feier ist vorbei
Verklungen sind die alten Lieder
Es wird langsam Zeit zu gehen

Der Wein war sehr gut
Der Raum klingt noch nach von den Stimmen
Vertraut und vergebens

Die Nacht riecht nach Schlaf
Wir sehnen uns nach den Federn
Und sinken so tief

Der Sommer ist vorbei
Doch wir sind einfach geblieben
Und bleiben dabei
Der Sommer ist vorbei
Und unsere Sehnsucht nach Süden
Das kann doch nicht sein

Der Morgen sieht uns an
Wir haben ihm nichts mehr zu sagen
Er war mal ein Freund

Der Sommer ist vorbei
Doch wir sind einfach geblieben
Und bleiben dabei

Der Sommer ist vorbei
Und unsere Sehnsucht nach Süden
Das kann doch nicht sein

Der Sommer ist vorbei

Alle Texte von Frank Schmiechen. „Diese Stadt“ von Julia Wolff