<>

Das magische Jahr 1982, die Zimmermänner oder: Als die Popmusik es einmal fast bis nach Deutschland geschafft hätte

Detlef Diederichsen, Timo Blunck und Christian Kellersmann sind erst Skafighter, dann die Zimmermänner. Bis heute. 

Punk war wichtig. Das spürte ich in den ausgehenden 70er Jahren. Aber auch sehr langweilig. Drei Akkorde, eine Uniform aus schwarzer Lederjacke, T-Shirts mit Löchern und bunten Haaren – das konnte nicht länger interessant sein als eineinhalb Jahre. Aber immerhin schoss diese neue Musik ein hässliches Loch in die selbstzufriedene Hippiewelt mit ihren Palästinenserschals, Bundeswehrparkas und Teestunden bei Kerzenlicht. Es wurde ungemütlicher, es ging raus auf die Straße, eine besondere Energie lag in der Luft – und plötzlich gab es Hoffnung. Pop in Deutschland könnte möglich sein. Eine Tür ging auf.

Durch diese weit offene Tür spazierten in Hamburg in den sehr frühen 80ern eine ganze Reihe von Bands und Musikern. 1980 und 1981 erschienen vier Singles von Palais Schaumburg. Das klang nach Kunst. Nach Dada oder Quatsch. „Ich glaub’ ich bin ein Telefon, romantisches, kleines Telefon.“ Vor allem klang es neu – und in keiner Sekunde nach Rock. Ähnlich strikter Anti-Rock kam vom 16jährigen Andreas Dorau, der sein Debütalbum „Blumen und Narzissen“ veröffentlichte.

Auch die Zimmermänner waren das Gegenteil von Punk und Rock. Mit ihren Pullovern und dem Habitus von Klassensprechern mit großem Latinum. Das war damals in Hamburg provokativer als es eine Lederjacke je sein konnte. Und dafür bekam Bassist und Sänger Timo Blunck in den einschlägigen Vierteln der Stadt auch mal richtig auf die große Klappe. Sein Mitstreiter Detlef Diederichsen hatte Glück. Er fiel nicht so auf. Das Debütalbum der Band hieß: „1001 Wege Sex zu haben ohne dabei Spaß zu haben“. Was für ein Titel. Es vereinte überambitionierten Pop aus den richtigen Quellen mit eigensinnigen, deutschen Texten, die man so noch nicht gehört hatte.

Das Album der Zimmermänner erschien im Jahr 1982, dem bis heute größten Popsommer der Musikgeschichte. In England sprudelte zur gleichen Zeit eine derartige Flut von popmusikalischen Meisterwerken, dass ich nie genug Geld hatte, um das alles zu kaufen. „Pelican West“ von Haircut 100, „You Cant’t Hide Your Love Forever“ von Orange Juice, „The Rise and Fall“ von Madness, „Imperial Bedroom“ von Elvis Costello, Kevin Rowland & Dexys Midnight Runners mit „Too-Rye-Ay“, „The Gift“ von The Jam, „The Lexicon of Love“ von ABC, „English Settlement“ von XTC. Um nur ein paar Beispiele zu nennen. Besprochen wurde das alles im sogenannten Bermudadreieck, das die Kneipen „Luxor“, „Kir“ und „Subito“ bildeten.

In dieser allgemeinen Pop-Euphorie hatte man in Hamburg plötzlich das Gefühl, dass diese Sorte kluger, schöner und humorvoller Popmusik auch in Deutschland möglich sei. Die Markthalle war voll als Andreas Dorau sein Debut-Album präsentierte. Palais Schaumburg schafften es bis nach England und New York. Die Zimmermänner gingen auf Tournee. Der Plan spielte in einem Keller auf St. Pauli. Außerdem gab es noch Saal 2, Fähnlein Fieselschweif, Cocomicos oder Front, denen man zutraute, ein Teil der zukünftigen deutschen Popszene zu sein.

Doch das alles hielt nur einen Sommer. Dann kam die „Neue Deutsche Welle“. Aus den zarten Versuchen einer eigenwilligen Szene wurde ein erfolgreiches Massenprodukt. Dann folgte breitbeinige, deutsche Rockmusik von Leuten, die Herbert, Marius oder Heinz Rudolf hießen. Mit Songtiteln wie „Männer“ oder „Freiheit“. Da hatten es die Zimmermänner mit „Ich werde in der Sonne immer dicker“ natürlich schwer.

Als es in Hamburg später in den 80er Jahren mal wieder Frühling wurde und ein Pop-Phänomen mit dem Namen „Hamburger Schule“ auftauchte, war das eine schöne Sache. Aber der Traum von einem besseren deutschen Pop war längst ausgeträumt. Palais Schaumburg und die Zimmermänner gab es nicht mehr. Andreas Dorau veröffentlichte fleißig weiter abseitige Musik mit noch schrägeren Texten. Die Vertreter der neuen Schule machten es sich in ihrer Nische und in ein paar Kneipen auf St. Pauli gemütlich. Tocotronic und Die Sterne schafften es sogar in die Charts und ausverkaufte Häuser.

Aber nichts konnte die Euphorie, die Energie, den Duft des Sommers 1982 zurückbringen. Diese unbekümmerte Art von Musik mit Humor und Stil, aus der die beste Popmusik gemacht wurde, die es jemals in Deutschland fast geschafft hätte.

Die Zimmermänner spielen ihr neues Album „Zimmermänner spielen Skafighter“ und alte Hits am 14. Juni im Badehaus in Berlin, 16. Juni im Knust in Hamburg, 21. Juni im Ponyhof in Frankfurt, 28. Juni in der Manufaktur in Schorndorf bei Stuttgart und am 29. Juni im Zakk in Düsseldorf.

 

Schreib einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert