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Wie Spargel zum SUV unter den Gemüsen gemacht wurde

 

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Er kann doch eigentlich nichts dafür. So unschuldig weiß. So rank und schlank. Und immer etwas früher dran im Jahr als die anderen Gemüsesorten. Doch in den einschlägigen Fachblättern zum Thema Landwirtschaft, wie zum Beispiel dem Spiegel oder der taz aus Berlin-Kreuzberg, wird ihm jetzt der Prozess gemacht. Er sei ein Luxusgemüse, heißt es. Von gewissenlosen Spargelbaronen den reichen, neoliberalen Deutschen im frühen Frühjahr zum Fraß vorgeworfen.

Wenn die Spargelspitze im Hals stecken bleibt

„Die Regierung holt 50 Kinder aus den grauenhaften griechischen Flüchtlingslagern – und 80.000 Erntehelfer. Denn was könnte wichtiger sein, als den deutschen Spargel vorm Verrotten zu retten?“ ruft uns die Feministin und Autorin Margarete Stokowski in ihrer Spiegel-Kolumne in Form einer rhetorischen Frage zu. Spargel ist für Stokowski „der alte weiße Mann der Kulinarik“. Weg damit. Und überhaupt: Was ist mit den leidenden Kindern in Griechenland? Bäm! Der Vergleich ist – sagen wir mal – schwierig. Trotzdem bleibt dem Endverbraucher die Spargelspitze endgültig im Hals stecken.

Bei den miesen Gemüse-Geschäften helfen Billigspargelstecher aus Osteuropa, heißt es weiter. Sie werden trotz aller Viren-Gefahren auf deutsche Felder verfrachtet und müssen unter harten Arbeitsbedingungen dafür sorgen, dass privilegierte deutsche FDP-Wähler, Zahnärzte und sonstige Steuervermeider auch in diesem besonderen Jahr gierig das Edelgemüse verzehren können. So ungefähr geht die Geschichte. Herrlich! Das geht runter wie warme Hollandaise.

Der Journalist Jost Maurin schreibt den Spargel in der taz in Grund und Boden: „Um Luxusgemüse verkaufen zu können, werden tausende Erntehelfer gefährdet. Das ist menschenverachtend.“ Nie wieder soll sich eine zarte Spargelspitze unschuldig in den deutschen Frühlingshimmel recken! Maurin prangert die dunklen Geschäfte der „Spargelbarone“ an, die offenbar wichtiger seien als die Gesundheit von Menschen. Uff. Das hat gesessen. Auch wenn die Argumentation so hohl ist, wie ein leerer Spargeltopf.

Gemüse kennen sie nur aus dem Supermarktregal

Lieber Spargel. Es tut mir leid. Sie missbrauchen dich für ihr schlichtes politisches Programm. Tausende Menschen haben diese spargelverachtenden Zeilen auf Twitter liebgehabt. Den Spargelverachtern ist egal, dass die Erntehelfer bis in den September alle möglichen Sorten von Gemüse ernten. Du musst dafür büßen.

Ihnen ist auch egal, dass die deutschen Obst- und Gemüsebauern, ihre Ernte einbringen müssen, weil sie wirtschaftlich überleben wollen. Es ist ihnen egal, weil sie ihr Gemüse nur aus dem Supermarkt kennen. Oder aus dem Veggie-Bowl vom Lunch-Lokal um die Ecke. Woher kommt eigentlich Edamame? Dass es in Deutschland niemand gibt, der Gemüse auf Feldern ernten will oder kann, wird auch eher zurückhaltend erwähnt.

Du bist jetzt der gierige Vermieter unter den Gemüsen

Lieber Spargel, sie wissen nicht, was Saisongemüse bedeutet und dass du nur der Anfang der Erntetätigkeit in Deutschland bis in den Oktober bist. Sie wollen das alles auch gar nicht wissen. Ein Schuldiger muss her. Und das bist jetzt du! Du bist teuer. Du siehst fabelhaft aus, stehst irgendwie für Luxus. Du bist jetzt unter dem Gejohle auf Twitter zum satten Eigentumswohnungsbesitzer, zum gierigen Vermieter, zum SUV unter den Gemüsen erklärt worden.

Ich möchte, dass auch in Zukunft 40 Prozent des Gemüses und Obstes, das wir in unserem Land brauchen, in Deutschland produziert wird. Ich möchte, dass den deutschen Landwirten geholfen wird. Auch den Saisonarbeitern ist geholfen. Mit ihren aus deutscher Sicht niedrigen Löhnen, bringen sie ihre Familien durch das Jahr. Immerhin.

Und deshalb gehe ich in der Mittagspause an den kleinen Stand am Bayerischen Platz. Dort gibt es ein Kilo Spargel für 12,90 Euro. Wunderbar. Ausreichend für vier Portionen. Zwei Tage. Einmal mit Nudeln. Einmal mit Schnitzel. Schnitzel!? Aber das ist ein anderes Thema…

 

 

 

 

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